Karl Heinrich Ulrichs (* 28. August 1825, Westerfeld, Ostfriesland; † 14. Juli 1895, L’Aquila, Italien), deutscher Jurist, früher Einzelkämpfer der Homosexuellen-Bewegung.

 „Der urnische Kuss kann nur einseitigen Liebesgenuss gewähren. Um den dionischen Kuss beneide ich die Weiber. Mein Geliebter küsst mich, ach, so kalt“

Karl-Heinrich Ulrichs
Porträtfoto: Karl Heinrich Ulrichs

Ulrichs war kein Spätzünder. Mit 22 Jahren war er soweit, seine seit der Pubertät verspürte Homosexualität für sich anzunehmen. Da arbeitete er gerade an seiner Dissertation zum Thema Westfälischer Frieden. Er verfasste sie auf Latein, der alten Sprache, die er perfekt beherrschte. Doch woher sein Begehren kam, dass ihn von seinen Studien ablenkte, da war er mit seinem Latein am Ende. War es ein „passiver animalischer Magnetismus“, wie er zunächst vermutete? Oder gibt statt der Mystik eher die Naturwissenschaft Antworten darauf? Der Jurist entwickelte seine eigene Theorie: Da in der Natur die sexuelle Anziehung stets vom weiblichen zum männlichen Pol hin und herliefe, müsse der männliche Homosexuelle eine weibliche Seele in einem männlichen Körper besitzen.

Ulrichs übernahm zunächst den von anderen Autoren geprägten Ausdruck des „dritten Geschlechts“. Da er zu der Zeit noch keinen lesbischen Frauen begegnet war, vermutete er die Existenz eines „vierten Geschlechts“ (eine weibliche Homosexuelle mit einer männlichen Seele in einem weiblichen Körper), entwickelte dann aber eine eigene Terminologie, die ihm passender erschien. „Uranier“ oder „Urninge“ waren Männer, die Männer lieben, den „Dionäer“ oder „Dioning“ nennen wir heute Hetero. Und die glücklicherweise später noch in sein Blickfeld gerückten Lesben bekamen die Bezeichnungen „Urnin“ und „Uranierin“.

Ulrichs urnisches Begehren wurde 1854 aktenkundig. Es wurde gegen ihn ermittelt, weil er laut eines Gerüchts „widernatürliche Wollust mit anderen Männern treibe“. Der bisherige Hildesheimer Gerichtsassessor ließ sich als Anwalt in Burgdorf nieder, doch auch dort erfuhr man von den Ermittlungen. Er verlor seine Zulassung, arbeitete fortan als Sekretär, Fremdsprachenlehrer und Journalist. Die freie Tätigkeit lässt ihm die Zeit, seine Theorien zur Homosexualität zu entwickeln. Der erlittene Karriereknick beförderte seine Motivation, auch politisch tätig zu werden.

1864 erscheint der erste Teil von zwölf Schriften „Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe“. Er tritt offen als Urning auf, und formuliert seine Forderungen. Darunter die Gründung eines Urningenverbandes und die Schaffung der „urnischen Ehe“. Eine Utopie, die ja erst 2001 mit der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft Realität wurde. Auch die Abschaffung der Strafgesetze gegen homosexuelle Handlungen stand auf seiner Agenda, die er 1867 auf dem deutschen Juristentag in München vertrat. Er wurde von seinen Kollegen niedergeschrien.

1880 beschloss Ulrichs, ins italienische Exil zu gehen, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Im neugegründeten Deutschen Reich hatte sich die Stimmung gegenüber Homosexuellen verschlechtert, seine Ideen blieben folgenlos. Zunächst in Neapel, später in L’Aquila, betätigte er sich als Herausgeber einer Zeitschrift zum Erhalt der lateinischen Sprache. 1870 war er mit seinem Projekt, eine regelmäßig erscheinende Publikation für seine Zielgruppe herauszubringen, gescheitert. Von der Zeitschrift „Uranus. Beiträge zur Erforschung des Naturräthsels des Uranismus und zur Erörterung der sittlichen und gesellschaftlichen Interessen des Urningthums“ existiert nur das Titelblatt, mangels Abonnent_innen erschien keine Ausgabe.

Am 17. Dezember 2013 wurde in Berlin die frühere Einemstraße in Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße umbenannt. Sie führt vom Nollendorfplatz in Schöneberg nach Tiergarten.

Autoren: Christian Scheuß – ergänzt durch Jörg Litwinschuh/Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

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