Johanna Carolina Elberskirchen; (* 11. April 1864 in Bonn; † 17. Mai 1943 in Rüders-dorf bei Berlin), Schriftstellerin, Feministin, lesbisch, in der Frauen-, der Homosexuellen-, der Arbeiter- und der Sexualreform-Bewegung tätig. Pseudonym: Hans Carolan.

Porträtfoto: Johanna Elberskirchen

Johanna Elberskirchen war offen lebende Lesbe und aktive Feministin im radikalen Flügel der Alten bürgerlichen Frauenbewegung, wo sie sich bspw. für ein allgemeines Wahlrecht Frau-enstimmrecht engagierte. Ungewöhnlich für eine Feministin ihrer Zeit war ihr Eintreten für Selbstbestimmung und Emanzipation von Lesben und Schwulen, das sie insbesondere im von Magnus Hirschfeld gegründeten Wissenschaftlich humanitären Komitee (WhK) verfolgte. Darüber hinaus war sie in der Sozialdemokratie aktiv und setzte sich u.a. für den Schutz von Arbeiterinnen und die Bildung der Jugend ein. Ihr politisches Denken und Handeln zeichnete sich aus durch die Verbindung verschiedener politischer Perspektiven wie etwa die der „Ge-schlechterpolitik“ mit „Klassenpolitik“ oder des Feminismus mit Homosexuellenpolitik. Damit eckte sie in den Vereinigungen, in denen sie sich engagierte, häufig an, und es machte sie nicht selten zur Außenseiterin.

„Sind wir Frauen der Emanzipation homosexuell – nun dann lasse man uns doch! Dann sind wir es doch mit guten Recht.“

„Der reine Feminismus ist nolens volens radikal. Notwendig schließt er (…) Mäßigung, Beschränkung, Halbheit aus. Feministisch sein heißt keineswegs à tout prix ein Recht für eine kleine Anzahl Frauen auf Kosten der anderen Frauen ergattern zu wollen – feministisch sein, das heißt immer nur für Gesamt-Befreiung des gesamten weiblichen Geschlechts kämpfen.“

Sie publizierte bis zum Verbot ihrer Schriften im Jahr 1933 eine Vielzahl von Aufsätzen, Ar-tikeln, Broschüren und Bücher. Ihren politischen Interessen und Perspektiven entsprechend umfassen ihre Veröffentlichungen ein breites Themenspektrum: Sexualität, Wahlrecht, ge-schlechtsspezifische Erziehung und Bildung, Medizin und Naturheilkunde, Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Mutterschaft und Kinderheilkunde.

Als Tochter kleiner Kaufleute, die in Bonn einen Laden für Lebensmittel und sogenannte „Kolonialwaren“ besaßen, waren ihr eine Universitätsbildung und ein unabhängiges Leben nicht eben nahegelegt. Sie verweigerte sich jedoch den Zumutungen, einen damals typischen Lebensweg für Frauen und Mädchen einzuschlagen, machte sich im Alter von etwa 20 Jahren ökonomisch unabhängig, indem sie die Arbeit einer Buchhalterin in Rinteln aufnahm (1884-91), und ging schließlich in die Schweiz, wo sie in Bern Medizin und in Zürich Jura studierte (1891-98), ohne jedoch einen Abschluss zu machen. Nach ihrem Studium lebte sie zunächst wieder im Rheinland in Bonn, Alfter und Mehlem. Von 1915-19 arbeitete sie in der Berliner Säuglingspflege und eröffnete nach dem Umzug mit ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac nach Rüdersdorf 1920 eine homöopathische Praxis im gemeinsamen Haus.

In der sexualreformerischen Bewegung war Johanna Elberskirchen viele Jahre aktiv. Noch während ihrer Bonner Zeit wurde sie in das Amt eines sogenannten Obmanns in ein Füh-rungsgremium des WhK gewählt. Sie war eine der wenigen Frauen, die im WhK ein Amt bekleideten. Über ihre aktive Mitarbeit am 1919 gegründeten Institut für Sexualwissenschaft ist wenig bekannt, ihr Einfluss dürfte aufgrund ihres Geschlechts und weil sie keinen Studien-abschluss hatte eher begrenzt gewesen sein.

Ab 1928 war sie Referentin in der Weltliga für Sexualreform. Diese internationale Organisa-tion hatte war 1921 mit dem Ziel gegründet worden, über Sexualität zu forschen, Reformen einzuleiten und die Bevölkerung aufzuklären. Johanna Elberskirchen hielt Vorträge auf den Weltkongressen der Liga in Kopenhagen (1928, London (1929) und Wien (1930).

Innerhalb der sexualreformerischen Bewegung beteiligte sie sich aktiv an den Debatten um deren Ziele und Ideen. Mit scharfem Verstand analysierte und kritisierte sie dabei auch die politischen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse, den Antifeminismus und die Frauen-feindlichkeit. Besondere Kritik übte sie an der sexualwissenschaftlichen Theorie, homosexu-elle Frauen seien „Mannweiber“ und „männlich“. Sie widersprach damit der Annahme, Be-gehren und Sexualität gründeten auf der Spannung zwischen „weiblich“ und „männlich“, vielmehr sah sie weibliche Homosexuelle als Frauen, die Frauen begehren: „Was ist das Wesen der Homosexualität, der Liebe zum eigenen Geschlecht? Natürlich die Ausschließung des konträren Geschlechts, des männlichen bezw. des weiblichen. Wie kann nun die Liebe der Frau zur Frau einen Zug zum ‚Männlichen’ haben? Das Männliche wird doch ausgeschlossen.“

Im Jahr 1975 wurde die Urne mit der Asche von Johanna Elberskirchen von zwei Frauen ge-funden und heimlich im Grab ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac beigesetzt. Die Ge-meinde Rüdersdorf stellte 2003 zwei Tafeln zum Gedenken an beide Frauen auf. Im Jahr 2005 wurde am Geburtshaus von Johanna Elberskirchen in Bonn ebenfalls eine Gedenktafel angebracht.

Autorin: Dr. Tatjana Eggeling/Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Literatur (Auswahl)

Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienenen Werke weiblicher Autoren nebst biographischen der Lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Berlin 1898. Eintrag Johanna Elberskirchen, S. 186f.

Oellers, Norbert: Die Bonner Schriftstellerin Johanna Elberskirchen – von der Zeit ver-schluckt? In: Rey, Manfred/Schloßmacher, Norbert (Hrsg.): Bonn und das Rheinland. Beiträ-ge zur Geschichte und Kultur einer Region. Festschrift zum 65. Geburtstag von Dietrich Höroldt. Bonner Geschichtsblätter. Jahrbuch des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins, Bd. 42. Bonn: Bouvier 1992, S. 527-544.

Krettmann, Ulrike: Johanna Elberskirchen. In: Lautmann, Rüdiger (Hrsg.): Homosexualität. Handbuch zur Theorie- und Forschungsgeschichte. Frankfurt/M./New York 1993, S. 111-116.

Leidinger, Christiane: Keine Tochter aus gutem Hause – Johanna Elberskirchen (1864-1943). Konstanz: UVK (Universitätsverlag Konstanz) 2008.

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Foto Johanna Elberskirchen: CC-BY Chris9/Wikimedia