Textgrafik mit farbigem Hintergrund. Text: “Schutz vor Konversionsmaßnahmen. Vollverbot jetzt! 15 Forderungen an Bundesregierung. Jetzt Forderungskatalog mitzeichnen!” Gestaltungselement: ein Mauszeiger klickt auf die Forderung zum Mitzeichnen des Forderungskatalogs.

Berlin, 25.03.2024. Auch fast vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (KonvBehSchG) sind Konversionsmaßnahmen nicht verschwunden. Das zeigen aktuelle Studien. Die Ampelkoalition hat den dringenden Handlungsbedarf zwar erkannt und im Koalitionsvertrag eine Novellierung des Gesetzes zugesichert – aber bis heute ist dieses wichtige queerpolitische Vorhaben nicht angegangen worden. Das muss sich ändern. Dafür setzt sich eine Expert_innengruppe aus unterschiedlichen Disziplinen ein, in der auch die BMH mitwirkt. Die Gruppe hat heute ein Forderungspapier für ein Vollverbot dieser menschenrechtswidrigen Praxis veröffentlicht. Ziel ist eine gesamtgesellschaftliche und nachhaltige Ächtung dessen.

Noch die Große Koalition hatte 2020 das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen verab-schiedet – ein wichtiger erster Schritt. Das Gesetz weist jedoch an entscheidenden Stellen rechtliche Ausnahmen auf: Insbesondere gibt es Einschränkungen des Verbots bei der Durchführung an Erwachsenen sowie eine Strafbarkeitsausnahme für Eltern und Fürsorgeberechtigte. Vor allem aus diesem Grund wurde das Gesetz 2020 von der Öffentlichkeit als „Teilverbot“ aufgenommen – und verfehlte so eine vollständige gesellschaftliche Ächtung von Konversionsmaßnahmen.

Die Regierungsparteien im Bund haben den dringenden Reformbedarf erkannt und im Koalitionsvertrag von 2021 eine Novellierung des Gesetzes vereinbart.

Jedoch liegt bislang noch kein Gesetzentwurf der Ampel vor.

Das muss sich ändern – fordert jetzt eine Gruppe von unabhängigen Expert_innen aus unterschiedlichen Fachorganisationen. Sie hat in den vergangenen Monaten ein Forderungspapier erarbeitet, dass an die Bundesregierung gesendet und heute veröffentlicht wurde. Es umfasst 15 Forderungen zu den Bereichen ‚Effektiver rechtlicher Schutz vor Konversionsmaßnahmen‘, ‚Umfassende und rechtlich abgesicherte Unterstützung von Betroffenen‘ sowie ‚Bildung, Forschung und Aufklärung zu Konversionsmaßnahmen‘.

Die Dringlichkeit der Forderungen der Expert_innen wird durch aktuelle Forschungsergebnisse untermauert. Diese belegen, dass Konversionsbehandlungen auch fast vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (KonvBehSchG) noch präsent sind. So zeigt die Studie „Konversionsbehandlungen: Kontexte. Praktiken. Biografien“ von Mosaik Deutschland e.V. unter der Leitung von Dr. Klemens Ketelhut, dass die meisten Konversionsmaßnahmen von Eltern oder anderen Mitgliedern der eigenen Familie durchgeführt werden. Genau hier macht das Gesetz von 2020 aber eine Strafausnahme. Auch in anderen Settings und Kontexten finden nach wie vor Konversionsmaßnahmen statt, wie die Studie belegt. Dass es z.B. dringenden Aufklärungsbedarf bei Psychotherapeut_innen und Seelsorgenden gibt, belegt auch eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).

Helmut Metzner, geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) erklärt dazu: „Die aktuellen Studien belegen eindrücklich, dass Konversionsmaßnahmen in Deutschland weiterhin ein relevantes Problem darstellen. Die Ampelkoalition muss ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag halten: Das Vollverbot dieser gefährlichen und schlicht menschenrechtswidrigen Praktiken muss noch vor der nächsten Bundestagswahl kommen. Das ist der Rechtsstaat den vielen queeren Menschen, die von Konversionsmaßnahmen bedroht oder betroffen sind, sowie den Überlebenden dieser Praktiken schuldig. Das Signal muss eine umfassende gesamtgesellschaftliche Ächtung sein. Konversionsmaßnahmen schaden, und gehören aus der Gesellschaft ein für alle Mal verbannt.“

Dr. Matti Seithe, Referent für Gesellschaft, Teilhabe und Antidiskriminierung der BMH, führt dazu aus: „Das Gesetz darf keine Strafausnahmen für Eltern und Fürsorgeberechtigte mehr zulassen. Gerade in diesem Kontext finden die meisten Konversionsversuche statt, wie aktuelle Studien belegen. Auch die Durchführung solcher Maßnahmen an Erwachsenen muss ohne Ausnahmen verboten werden. Gerade das 2019/2020 noch oft gehörte Argument, der Gesetzgeber dürfe nicht in die freie Willensentscheidung von Erwachsenen eingreifen, geht am Sachverhalt vorbei: Verboten wird die Durchführung dieser gefährlichen Maßnahmen, nicht das Suchen nach Unterstützung. Hier hilft vielmehr emanzipatorische Beratungs- und Bildungsarbeit. Auch dies adressiert der Forderungskatalog der Expert_innengruppe – neben den zentralen juristischen Aspekten.“

Die Expert_innengruppe, an der auch Dr. Matti Seithe für die BMH beteiligt ist, fordert darüber hinaus effektivere Sanktionen bei Verstößen gegen das Verbotsgesetz: Das Vermitteln von Konversionsmaßnahmen muss ebenfalls als strafbewährt im Gesetz stehen. Organisationen, die diese menschenrechtswidrigen Angebote machen oder gar durchführen, muss die Gemeinnützigkeit aberkannt werden können. Außerdem fordert die Gruppe der Expert_innen die Einrichtung eines Ausgleichsfonds, um Betroffenen den Zugang zu speziellen Therapien, Heil- und Hilfsmitteln zu gewährleisten, die Einrichtung eines Monitorings oder einer öffentlichen Meldestelle für die Aktivitäten von Anbieter_innen im Inland und grenznahen Ausland, die Förderung von Qualifizierungs- und Sensibilisierungs- sowie Bildungsangeboten für beraterische Kontexte und Regelstrukturen, die Förderung des Aufbaus eines Selbsthilfe-Netzwerks sowie eine angemessene finanzielle und personelle Ausstattung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Diese Strukturen müssen um ein unabhängiges flächendeckendes Beratungsangebot zu Konversionsmaßnahmen vor Ort ergänzt werden. Zudem muss die Novellierung des Gesetzes durch eine deutschlandweite Informations- und Kommunikationskampagne begleitet werden, die sich insbesondere auch an die Allgemeinbevölkerung wendet.

Das Forderungspapier wurde erstunterzeichnet von Vertreter_innen der folgenden Organisationen (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
  • Bundesverband Queere Bildung e.V.
  • Bundesverband Trans* e.V. (BVT*)
  • Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti)
  • Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e.V. (LSVD)
  • LSBTI-Beauftragung der Stadt Mannheim
  • Mosaik Deutschland e.V.
  • Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität Heidelberg
  • PLUS Rhein-Neckar e.V.
  • Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie (VLSP*) e.V.

Bitte beachten Sie auch die Pressemitteilungen der anderen unterzeichnenden Organisationen vom heutigen Tag, wie z.B. die des LSVD+ Bundesverbandes.

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