Erster Wissenschaftskongress der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gibt wichtige Impulse aus der Forschung zu sexuellen und geschlechtlichen Lebensweisen und Identitäten

300 Teilnehmer_innen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft

„Wissen schafft Akzeptanz“: Unter diesem Motto präsentierte der erste Wissenschaftskongress „Gleich-Geschlechtliche Erfahrungswelten“ der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) aktuelle Forschung in Bezug auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* (Abkürzung: LSBTI*). In Berlin informierten sich vom 28. bis 30. November 2013 rund 300 Teilnehmer_innen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft über den Stand der aktuellen LSBTI*-Forschung zwischen Geschichte und Psychologie, Politik und Recht, sozialen Bewegungen und Kultur, Kunst und Medien. Jörg Litwinschuh, Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zieht ein positives Fazit: „Der breite Zuspruch an Teilnehmer_innen und Interessierten, nicht nur aus der Wissenschaft, sondern auch aus den Verwaltungen und der Politik zeigt, dass dieser Kongress einfach überfällig war. Nur durch den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in unsere Gesellschaft kann der Diskriminierung von LSBTI* entgegengewirkt werden. Wir wurden bestärkt, auch zukünftig in unserer Stiftungsarbeit eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftler_innen, Universitäten, Stiftungen, dem Deutschen Bundestag, den Bundes- und Landesregierungen, Städten und Kommunen, Bildungseinrichtungen und der Wirtschaft anzustreben, um Informationsdefizite über LSBTI*-Lebensweisen abzubauen und aktiv gegen Diskriminierungen vorzugehen.“ Lucie G. Veith, stellvertretende Vorsitzende des Fachbeirats der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, blickt nach vorn: „Immer noch haben LSBTI*-Themen eine Sonderstellung in Forschung und Gesellschaft. Alle Steine, die im Rahmen unseres Kongresses ins Wasser geworfen worden sind, sollen weite Kreise ziehen, Bewegung in die Geschlechtergerechtigkeit bringen und die Inklusion aller Menschen in die Gesellschaft fördern.“

Der Kongress wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Förderkennzeichen: 01FP1301). Christina Hadulla-Kuhlmann, Leiterin des Referates „Chancengerechtigkeit in Bildung und Forschung“ im BMBF, betonte die Bedeutung des Kongresses als historischen Startpunkt für das zukünftige Wirken der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld: “Wir wollen die Menschen für eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit LSBTI* gewinnen und deutlich machen, dass ihre individuellen, nicht selten schmerzlich und beharrlich erkämpften Lebensentwürfe akzeptiert und niemals mehr von Verfolgung, Repression und Ausgrenzung bedroht werden.“ Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Vorsitzende des Kuratoriums der BMH, dankte dem Team der Bundesstiftung für seine Arbeit in den ersten beiden Jahren und unterstrich die Notwendigkeit von Bildungsmaßnahmen und weiterer Forschung: „Noch immer gibt es in unserer Gesellschaft Bereiche, in denen Menschen ihre Identität verstecken müssen. Unbegründeten Ängsten, Vorurteilen und Unwissenheiten wirksam zu begegnen, ist in besonderer Weise eine Aufgabe von Wissenschaft und Forschung.“

Breites Themenspektrum an drei Kongresstagen
Das wissenschaftliche Programm in Vorträgen und Podiumsdiskussionen war breit gefächert. Zu den Schwerpunkten gehörten Vorträge zu verschiedenen LSBTI*-Lebenssituationen und deren Verfolgung im Nationalsozialismus sowie in den 1950er und 1960er Jahren, die Psychopathologisierung von LSBTI* sowie die aktuelle und rechtliche Situation von Trans*- und Inter*-Personen und LSBTI* mit Migrationshintergrund. Die Teilnehmer_innen diskutierten kritisch die Auswirkungen der Konstruktionen von Weiblichkeit und Männlichkeit in unserer Gesellschaft sowie das Bild von LSBTI* in den Medien. Im Bereich Bildung wurden aktuelle Ergebnisse der Forschung zu Aufklärungsprojekten an Schulen vorgestellt. Mediale Beachtung erhielt der Kongress auch durch die öffentliche Hirschfeld-Lecture von Prof. Jeffrey Weeks. In seinem Vortrag „Sexuelle Gleichberechtigung: Gender, Sexualität und homosexuelle Emanzipation in Europa“ appellierte er: „Menschenrechte sind kein Naturrecht, sie stehen auch nicht in Felsen gehauen, sondern müssen erkämpft und verteidigt werden.“ Der Wissenschaftskongress wurde von einem Weblog begleitet, der einen kompletten inhaltlichen Überblick bietet. Mehr Informationen unter www.hirschfeld-kongress.de/blog

Veranstalterin: Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) wurde im Oktober 2011 durch die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ), errichtet und hat ihren Sitz in Berlin. Die Arbeit der Stiftung konzentriert sich auf die drei Bereiche Forschung, Bildung und Erinnerung. Benannt ist die Bundesstiftung nach Magnus Hirschfeld (1868-1935), Arzt, Sexualforscher und Mitbegründer der ersten deutschen Homosexuellenbewegung. Im Mai 2013 jährte sich die Zerschlagung seines Berliner Instituts für Sexualwissenschaft durch die Nationalsozialisten zum 80. Mal. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hat zum Ziel, an ihren Namensgeber zu erinnern, Bildungs- und Forschungsprojekte zu fördern und einer gesellschaftlichen Diskriminierung von LSBTI* in Deutschland – auch durch eigene Projekte – entgegenzuwirken. Die Stiftung will dabei die Akzeptanz für Menschen mit einer nicht-heterosexuellen Orientierung in der Gesellschaft insgesamt fördern. Gleiches gilt für Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren bzw. sich nicht ausschließlich als Mann oder Frau definieren.

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